Dies ist kein Roman. Dies ist auch keine nüchterne Gebrauchsprosa, geschweige denn hochgeistige Literatur. Bestenfalls ist es eine Sammlung von historischen Quellen, die zu einem literarischen Konglomerat zusammengefasst werden. Verkittet durch die Irrlehre Friedrich Ludwig Jahns werden in diesem unkonventionellen Report Georg Ritter von Schönerer, Franz Xaver Kießling, Anton Ohme und Ferdinand Berger als seine ideologischen Erben identifiziert und an den Pranger gestellt. Dem Poeten Robert Hamerling, den man dazurechnen muss, wurde bereits eine eigene Abhandlung gewidmet.Bei diesen Antisemiten ist die Wiege des Judenhasses im Waldviertel zu suchen, der in der Person Adolf Hitlers kulminierte. Sie alle haben in irgendeiner Weise mit dem ehemaligen „Ahnengau des Führers“ zu tun, obwohl die wenigsten hier geboren wurden und die meisten den Judenhass importierten.
Wie bei einem Mosaik wurde Steinchen für Steinchen gesammelt, aus dem Fundus von Literatur und Presse geschöpft und schließlich die Essenz zu einer Publikation vereint, die auf den Leser wie ein Requiem auf die Opfer des Holocaust wirken sollte. Wenn auch nicht mit dem Fantasiereichtum schöngeistiger Epik ausgestattet, so erhebt dieser chronologisch nur dem Kontext verpflichtete Bericht sehr wohl den Anspruch, ein populärwissenschaftliches Werk zu sein, da es angereichert ist mit Fußnoten, die die umfangreichen Recherchen belegen.
Dennoch wird hier nicht mit Kritik an „Turnvater“ Jahn und seinen geistigen Nachfolgern gespart, was in einem Buch wie diesem durchaus legitim sein sollte. Ebenso werden Fragen aufgeworfen und wieder verworfen, selbst wenn keine Antworten zu erwarten sind. Dann sickert da und dort auch die Sichtweise der Autorin durch, die sich kein Blatt vor den Mund nimmt und sich das Denken nicht verbieten lässt. Dass der zum „Turnpapst“ verharmloste Jahn in der Vergangenheit nicht nur im Waldviertel, sondern im gesamten deutschsprachigen Raum immer wieder für Schlagzeilen gesorgt hat, wird in einem eigenen Exkurs verdeutlicht. So wuchs ein Konvolut aus authentischen Zitaten, belegten Fakten und fremden Textfragmenten, aus einschlägigen Zeitungsartikeln und subjektiver Betrachtungsweise stetig zu einem Ganzen heran, aus dem der interessierte Leser die historischen Zusammenhänge um die Jahnrezeption selbst rekonstruieren und schließlich zur Quintessenz „Unter der Lupe“ gelangen kann.